Menschen mit Hörbeeinträchtigungen treffen in ihrem Alltag auf zahlreiche Barrieren: Die Finanzierung von Gebärdensprachübersetzungen wird immer wieder zum Problem und vor allem taubblinde Menschen stoßen auf große Schwierigkeiten, bedarfsgerechte Assistenz zu erhalten. Untertitelungen von Fernsehbeiträgen sind noch nicht zur Regel geworden.
Um Informationen über Initiativen der Bundesregierung zur Verbesserung der Lebenssituation von gehörlosen, hörbeeinträchtigten und taubblinden Menschen zu erhalten, hat die Grüne Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage gestellt. In ihrer Antwort (Bundestags-Drucksache 17/10371) bekennt sich die Bundesregierung im Allgemeinen zur Gleichbehandlung gehörloser und hörender Menschen. An entscheidenden Punkten stiehlt sie sich aber aus der Verantwortung.
So ist unter anderem die Antwort der Bundesregierung zu Möglichkeiten der Kostenübernahme von GebärdensprachdolmetscherInnen für hörbeeinträchtigte Menschen, die ein Ehrenamt ausüben möchten, äußerst unbefriedigend: Auch wenn es Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, könne es, so die Bundesregierung in ihrer Antwort, nicht ihre Aufgabe sein, die Ausübung eines Ehrenamtes möglich zu machen.
Im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes und der Jugendfreiwilligendienste sei eine Kostenübernahme für Übersetzungen in die Gebärdensprache nicht möglich. Daher könne es in Einzelfällen eine Befreiung von den gesetzlich vorgeschriebenen Seminartagen geben. Weil es keine Finanzierung gibt, müssten hörbeeinträchtigte Freiwillige auf ihren Anspruch auf politische Bildung verzichten! Eine inklusive Gesellschaft stellen wir uns anders vor: Es kann nicht sein, dass gehörlose Menschen ausgeschlossen werden, weil sich niemand für die Finanzierung einer Übersetzung zuständig fühlt. Die Antwort der Bundesregierung ist umso unbefriedigender, als die Verweigerung der Kostenübernahme für die Ausübung eines Ehrenamtes nicht nur Personen betrifft, die eine gebärdensprachliche Übersetzung nutzen möchten, sondern alle Menschen mit Behinderungen, die zur Ausübung eines Ehrenamtes auf Persönliche Assistenz angewiesen sind.
Eltern, bei deren neugeborenen Kindern eine Hörbeeinträchtigung festgestellt wird, müssen in der Regel darüber entscheiden, ob ihre Kinder ein Cochlea-Implantat (eine elektronische Innenohrprothese, die auf die Wiederherstellung des Hörvermögens zielt), erhalten sollen. Die Kosten für die Implantation übernimmt die Krankenkasse. Die Bundesregierung stimmt grundsätzlich der Position der Grünen Fraktion zu, dass eine Entscheidung für oder gegen ein Cochlea-Implantat nicht von finanziellen Gesichtspunkten beeinflusst werden sollte. Auch hier scheint die Bundesregierung an der Praxis weniger interessiert.
Die Finanzierungsverantwortung von Gebärdensprachkursen für hörende Eltern gehörloser Kinder folge der Kostenträgerschaft für die Kurse der Kinder: Zuständig seien die Rehabilitationsträger. Es scheint also alles bestens zu funktionieren. Nach uns vorliegenden Hinweisen können wir uns das nicht vorstellen und bitten die entsprechenden Personen und Verbände um weitere Informationen aus der Praxis. Während ein Cochlea-Implantat finanziert wird, können sich Eltern nicht sicher sein, dass die Kosten zum Erlernen der Gebärdensprache übernommen werden. Angesichts darüber hinausgehender zahlreicher Regelungslücken in der Finanzierungsverantwortung von Gebärdensprachübersetzungen ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch finanzielle Aspekte in die Überlegungen über ein Implantat für ein Kind einfließen können.
Wenn Eltern über eine Implantation ihrer sehr jungen Kinder entscheiden müssen, ist dies keine leichte Aufgabe. Eltern sind darauf angewiesen, gut beraten und informiert zu werden. Zum Wohlbefinden und der psychosozialen Entwicklung CI-transplantierter Kinder sind der Bundesregierung keine Untersuchungen bekannt. Eine ausgewogene Beratung von Eltern, die über eine Transplantation für ihre neugeborenen Kinder entscheiden müssen, sieht sie trotzdem über die ärztliche Beratungspflicht ausreichend gewährleistet. Diese schließe "gegebenenfalls auch zweckdienliche Hinweise auf ergänzende Beratungsangebote von Selbsthilfegruppen und ihren Verbänden ein" (Bundestags-Drucksache 17/10371). Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Pflicht, sich für ein erweitertes Beratungsangebot einzusetzen, da die Gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger bereits umfangreich berieten. Mit Blick auf die zahlreichen Probleme bei den Servicestellen ist diese Antwort zumindest unbefriedigend.
Mit einigen Fragen zielt die Kleine Anfrage auf die gesundheitliche Versorgung von Menschen, die gebärdensprachlich kommunizieren. Wir wollten von der Bundesregierung wissen, ob Probleme bei der Bereitstellung von Dolmetschern für hörbeeinträchtigte Patientinnen und Patienten bestehen. Die Antwort: Die Krankenversicherung kommt sowohl im ambulanten als auch (über das DRG-Fallpauschalenprinzip) im stationären Bereich für die Kosten auf, Probleme sind der Bundesregierung in diesem Zusammenhang nicht bekannt. Dass Krankenhäuser angesichts des finanziellen Drucks eine angemessene Infrastruktur zur gebärdensprachlichen Kommunikation bereit halten, ist für uns schwer vorstellbar. Wir werden hier ebenfalls betroffene Personen und Verbände um Stellungnahme bitten.
Die Kleine Anfrage macht aber auch positive Entwicklungen deutlich. So wird beispielsweise voraussichtlich ab Herbst diesen Jahres eine finanzielle Förderung von Filmen durch die Filmförderungsanstalt an die Herstellung einer Fassung mit Untertitelung
bzw. Audiodeskription geknüpft. Diese Richtlinienänderung geht unter anderem auf eine interfraktionelle Initiative aus dem Bundestag zurück.
[Zusammenfassung
bzw. Stellungnahme der Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen]