Hintergrund:
Gegenstand des von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geförderten Forschungsprojektes „Abbrüche beruflicher Qualifizierungsmaßnahmen in der Rehabilitation - Eine qualitative Studie zu individuellen und kontextbezogenen Ursachen“ ist die Identifikation der persönlichen, institutionellen und prozessproduzierten Ursachen für den Abbruch von 2-jährigen Qualifizierungsmaßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Für das Jahr 2006 gibt Bestmann (2009) an, dass 20 % der Teilnehmer die DRV-geförderten beruflichen Bildungsmaßnahmen vorzeitig beendeten. Eine Übersicht des gegenwärtigen Forschungsstands zeigt, dass die empirische Befundlage noch am Anfang steht, in den vorhandenen Studien aber gleichwohl übereinstimmend einige wichtige Faktoren des Abbruchs von Qualifizierungsmaßnahmen identifiziert werden (Schellmann
et al., 2011; Slesina, Rennert, 2009). Primär werden medizinische Gründe für einen Abbruch genannt. Über berufsbiografische Hintergründe und subjektive Motive des Abbruchs liegen aber bis dato keine weitergehenden Analysen vor.
Ziel:
Das Ziel unserer explorativen Studie ist die Identifikation der subjektiven Gründe eines Abbruchs unter differenzierter Betrachtung unterschiedlicher Bedingungsfaktoren, wie
z. B. individueller Bildungs- und Berufsverläufe (Stellenwechsel, AU-Zeiten, Erwerbslosigkeit), familiärer Konstellationen (soziale Einbindung/Unterstützung) sowie Gesundheitsstatus, Krankheiten,
Beeinträchtigungen und ihre subjektive Bewertung. Darüber hinaus werden aus Teilnehmerperspektive institutionelle Bedingungsfaktoren (Beratung, Angebotsform, Didaktik, Teilnehmerstruktur, Kursklima
usw.) und ablaufbedingte Aspekte (Zuweisung, Diagnostik, Beratung) erfragt.
Methoden:
Um die Hintergründe und Risiken kostenintensiver Abbrüche zu analysieren, wurde ein Mixed Method Forschungsdesign entwickelt. Sie umfasst eine Fragebogenerhebung, narrativepisodische Interviews mit Teilnehmern und Abbrechern, Experteninterviews, Gruppendiskussionen mit den Teilnehmern und Experten. Die Auswertung der leitfadengestützten Interviews (Experten- und Teilnehmerinterviews) erfolgt nach dem Codierverfahren von Glaser und Strauss (1967/1999) sowie sequenzanalytisch und themenspezifisch im Sinne einer inhaltsanalytischen Auswertung (Mayring, 1997).
Ergebnisse:
Die Ergebnisse unserer Studie beziehen sich zum einen auf die Interviews mit Abbrechern (n = 30) und zum anderen auf die Gespräche mit aktuellen Teilnehmern (n = 30) über Belastungsfaktoren, die zum Abbruch der Maßnahme führen können. Als Belastungsfaktoren, die einen Abbruch wahrscheinlicher machen, wurden vor allem benannt intransparente und inadäquate Zuweisungspraxis durch Kosten- und Bildungsträger, der unterschiedliche Wissensstand und die Vorerfahrungen in Berufs- und Arbeitsfeldern innerhalb der Gruppe, die verschiedenen Berufsausbildungen innerhalb einer Klasse, für die ein gemeinsamer Unterricht erfolgt, Über- und Unterforderung mit dem Lernstoff sowie Schwierigkeiten in der Gruppe. Die Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie
bzw. Privatleben wird durch lange Wegezeiten und ein hohes Lernpensum erschwert. Das führt in einzelnen Fällen zu Konflikten und Auseinandersetzungen, die sich negativ auf Motivation und Lernerfolg auswirken können. Die berufliche Zukunft wird von manchen Teilnehmern als ungewiss eingeschätzt, vor allem die mangelnde Vorbereitung auf den Berufsalltag wird kritisch gesehen. Die damit zusammenhängenden Ängste können sich auf die Motivation negativ auswirken.
Die Problemlagen der Teilnehmer sind auch abhängig von Kontextbedingungen, wie zum Beispiel der Lage des Bildungsträgers in einer strukturstarken
bzw. strukturschwachen Region. Bei der Gruppe der Abbrecher zeigte sich, dass neben dem Abbruch aus rein medizinischen Gründen, bei einer Vielzahl eine komplexe Ursachenkonstellation vorliegt: familiäre Probleme, psychische Krisen, leistungsbezogene Gründe und gesundheitliche Beeinträchtigungen beeinflussen sich gegenseitig. Es lässt sich aber festhalten, dass ein hoher Prozentsatz der Abbrecher nach einer gewissen Zeit in die Einrichtung zurückkehrt und die Maßnahme wieder aufnimmt.
Schlussfolgerungen und Ausblick:
Ein zentraler Befund unserer Untersuchung ist, dass der Begriff „Abbruch“ weiter gefasst werden muss. Er umfasst neben dem klassischen Abbruch, Teilnehmer, die zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehren, Teilnehmer, die innerhalb der Einrichtung das Berufsfeld wechseln oder eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt aufnehmen, ohne Abschluss der Maßnahme. Auf der Basis der leitfadengestützten Interviews möchten wir für die unterschiedlichsten Problemlagen der Teilnehmer sensibilisieren, um das in den Bildungseinrichtungen bereits vorhandene Abbruchmanagement zu ergänzen.