Berufliche Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen (§ 33
SGB IX) sind ein zentrales Instrument zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe am Arbeitsleben für chronisch kranke und behinderte Menschen (Slesina, Rennert, 2009). Sie sollen die Chancen zur Integration auf dem Arbeitsmarkt verbessern und das Prinzip „Rehabilitation vor Rente“ realisieren. Nicht zuletzt sind sie auch von großer ökonomischer Bedeutung (Streibelt, Springer, 2010). Mit
ca. 30 % stellen berufliche Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen die größte Gruppe der beruflichen Teilhabeleistungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) dar. In der Regel dauern sie ein bis zweieinhalb Jahre und sind in den meisten Fällen kostenintensiver als medizinische Rehabilitationsmaßnahmen (Erbstößer
et al., 2008). Vor diesem Hintergrund geht es in der von der DRV Bund geförderten Studie „Abbrüche beruflicher Qualifizierungsmaßnahmen in der Rehabilitation. Eine qualitative Studie zu individuellen und kontextbezogenen Ursachen“ um eine wissenschaftliche Analyse der Verläufe zweijähriger beruflicher Rehabilitationsmaßnahmen im Hinblick auf die Untersuchung von Risiken eines frühzeitigen Abbruchs.
Das Ziel der Studie ist eine kontextsensible Darstellung und Analyse der Teilnehmerstrukturen (individuelle Bildungs- und Berufsverläufe, familiäre Konstellationen, soziale Unterstützung, Gesundheitsstatus, Krankheiten, Beeinträchtigungen). Ein besonderes Augenmerk gilt der Teilnehmersicht, hier wurden folgende Aspekte erhoben: Zuweisungspraxis, Passgenauigkeit der Maßnahme, Bedingungs- und Kontextfaktoren der Bildungseinrichtung, subjektive Einschätzung der Maßnahme, des Unterrichts und des Gruppenklimas sowie Selbstwirksamkeit, Motivation und Zukunftsperspektiven.
Datenbasis der Untersuchung sind leitfadengestützte Interviews mit Experten (n = 31), Maßnahmeteilnehmern (n = 30) und Abbrechern (n = 30) sowie eine Teilnehmerbefragung mittels Fragebogen (n = 454). Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die quantitative Befragung, die im Zeitraum von Mai bis Oktober 2012 in drei Berufsbildungswerken sowie bei drei freien Bildungsträgern an unterschiedlichen Standorten durchgeführt wurde. Die Datenauswertung erfolgte zum eine deskriptiv. Zum anderen wurden explorative Faktorenanalysen durchgeführt, um Parameter zu identifizieren, die Hinweise auf einen günstigen oder ungünstigen Verlauf
(z. B. Unzufriedenheit, Unterbrechung, Abbruch) der Maßnahme liefern.
Insgesamt wurden 454 Teilnehmer, die sich in einer 2-jährigen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme befinden befragt. Das mittlere Alter betrug 35,8 Jahre, 30,6 % der Befragten waren Frauen. Knapp die Hälfte der Teilnehmer, 47,8 %, wurde von der DRV vermittelt, 42,1 % von der Bundesagentur für Arbeit. Der Rest setzt sich aus Teilnehmern von Berufsgenossenschaften, der Unfallversicherung, Selbstzahlern und Sonstigen zusammen. Ein Drittel der Teilnehmer (30,6 %) hat sich die Maßnahme selbst gesucht. 61,0 % der Teilnehmer waren vor der Maßnahme arbeitslos gemeldet, 33,5 % erwerbstätig. 72,7 %, der Teilnehmer verfügen über eine abgeschlossene Lehre, 14.1 % haben keinen Berufsabschluss. Finanzielle Probleme oder Sorgen werden von 36,6 % der Teilnehmer, Ereignisse aus der Vergangenheit von 20,3 % als stark belastend angegeben. Sorgen über ihre Gesundheit machen sich 21,8 %. Die Teilnehmer fühlen sich am häufigsten durch „Rückenschmerzen“ (39,2 %) und „Depressionen“ (15,2 %) gesundheitlich beeinträchtigt. Rund 20 % geben zwei oder mehr beeinträchtigende gesundheitliche Probleme an. 35,2 % waren unmittelbar vor der Maßnahme krankgeschrieben. Der Großteil der Teilnehmer (78,4 %) sieht sich nach der Maßnahme wieder voll erwerbstätig. Die ersten Analysen geben Hinweise darauf, dass besonders gesundheitliche Beeinträchtigungen in Verbindung mit persönlichen Problemen
(z. B. Schulden, familiäre Sorgen) häufiger zu Unterbrechungen und Abbrüchen führen. Die Daten der vollständigen Analyse werden auf dem Kolloquium in ihrer Breite dargestellt.
Besonders gesundheitliche Beeinträchtigungen - unabhängig von körperlichen oder psychischen Gründen - und/oder familiäre
bzw. finanzielle Belastungen und Sorgen führen häufiger zu Unterbrechungen und Abbrüchen der Maßnahme. Dies deutet auf ein komplexes Bedingungsgefüge für den Erfolg
bzw. Misserfolg der beruflichen Qualifizierung hin und verweist auf die Bedeutung eines frühzeitigen begleitenden Abbruchmanagements.