Hintergrund und Anlass für die Studie war die besondere Pandemie-Situation im Landkreis Tirschenreuth in den Monaten März bis Sommer im Jahr 2020. Die außerordentlich hohe Zahl von Infizierten und im Zusammenhang mit dem Corona-Virus Verstorbenen verschaffte der Region in den bundesdeutschen Medien über Monate hinweg eine besondere Aufmerksamkeit.
Insgesamt fehlte jedoch bei allen Betrachtungen der Blick auf die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen von Maßnahmen auf das Zusammenleben und die soziale und psychische Situation der Menschen, insbesondere der Menschen mit Behinderungen. Mit diesen Fragen beschäftigte sich ab Sommer 2020 das „Netzwerk Inklusion Landkreis Tirschenreuth".
In der vorliegenden Studie wurden zwei Zielgruppen befragt: Selbstvertreter:innen mit Behinderung, Angehörige und Personen mit öffentlichen Funktionen im Bereich Inklusion sowie soziale Einrichtungen, Vereine und öffentliche Institutionen aus dem Bereich Inklusion. Insgesamt schilderten 30 Personen aus 23 Haushalten und 45 Einrichtungen ihre Erfahrungen.
Da Fallberichte, persönliche Erlebnisse und Eindrücke erhoben wurden und keine statistischen Befunde, besteht immerhin eine starke „anekdotische Evidenz". Daraus wurden 17 Porträts und typische Lebenssituationen und 14 Arbeitsfelder und 12 Thesen zu Erwartungen und Forderungen an staatliche und gesellschaftliche Akteur:innen entwickelt.
Themen und Fazit:
- Wegfall der Unterstützung
- verstärkte Durchhaltementalität
- Vergrößerung der sozialen Unterschiede
- Vereinsamung und Isolation
- unzureichende Information und Kommunikation
- Einrichtung von (digitalen) Ersatzangeboten
- Verschärfung der sozio-ökonomischen Problemlagen
- fehlende Differenzierung
- individuelle Verhaltensänderungen und Verzichtsleistungen
- psychische Belastung
- Überforderung
- fehlende Repräsentation
- Solidarität und Ignoranz.
Insgesamt kommen die Autor:innen zum Fazit: Inklusion ist einem Stresstest ausgesetzt und stark gefährdet.
Alle Entscheidungen in der Pandemie werden im Spannungsfeld zwischen Schutz und Teilhabe und Entlastung getroffen. Hier braucht es eine gut verantwortete Abwägung und es gibt kein eindeutiges „Richtig“ oder „Falsch".
Wichtig ist jedoch: Wir wollen dafür einstehen, den Menschen mit Behinderungen, ihren Angehörigen und Inklusion in den Einrichtungen und Institutionen eine Stimme zu geben und die Situation sichtbar zu machen, in aller Komplexität und Ambivalenz.