Der Autor blickt kritisch auf ein Urteil des Bundessozialgerichts, denn leider hat ein negatives Urteil des Bundessozialgerichts eine jahrelange Auseinandersetzung um die Erstattung von Fahrkosten bei stufenweise Wiedereingliederungen zum Nachteil der Patienten beendet. Nun wäre ein Handeln der Politik geboten - also eine Änderung des Gesetzes.
Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 44
SGB IX (auch Hamburger Modell genannt) hat sich in den letzten Jahrzehnten als sehr gutes Instrument zur langsamen Rückkehr an den Arbeitsplatz bewährt. Dies gilt insbesondere auch für psychische Erkrankungen. Viele betroffene Menschen erleben es dabei als doppelten Nachteil, dass sie im Krankengeldbezug schon deutlich weniger Einkommen haben. Zusätzlich müssen sie in der Regel bei stufenweise Wiedereingliederung auch noch für die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz aufkommen.
Deshalb gibt es seit vielen Jahren Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen und der Rentenversicherung, ob diese auch die anfallenden Fahrtkosten erstatten müssen. Es gab eine Menge Gerichtsurteile, die dies bestätigten. Sowohl für Krankenkassen als auch für die Rentenversicherung (dort gibt es die stufenweise Wiedereingliederung im Anschluss an eine medizinische Reha). Auch waren die Kommentare juristischer Fachleute weit überwiegend derselben Meinung. Einige wenige Gerichte sahen dies aber anders. So kam es, dass das Bundessozialgericht letztlich zur Entscheidung angerufen wurde.
Ein ganz entscheidender Punkt in der Diskussion war immer, ob die stufenweise Wiedereingliederung selbst eine eigenständige Maßnahme der medizinischen Reha ist oder nicht. Wenn ja, dann müssen auch durch diese Reha anfallende Nebenkosten, wie Fahrtkosten, erstattet werden. Das Bundessozialgericht hat nun eindeutig geurteilt: Stufenweise Wiedereingliederung ist keine eigene medizinische Reha und deshalb müssen von der Krankenkasse auch keine Fahrtkosten erstattet werden. Das Bundessozialgericht verweist dabei auf entsprechende Regelungen im
SGB V, welches für die Krankenkassen das verbindliche Sozialgesetzbuch ist.
Die weiteren Details kann man in der Entscheidung des Bundessozialgerichts (AZ: B 1 KR 7/23 R) nachlesen. Für Leser:innen ist eigentlich nur wichtig, dass auf absehbare Zeit keine Fahrtkosten von den Krankenkassen erstattet werden.
Vermutlich gilt das Urteil allerdings nicht für die Deutsche Rentenversicherung. Nach meiner Kenntnis gibt es bisher rechtskräftig nur Urteile, in denen die Deutsche Rentenversicherung verloren hat. Hier könnten sich Widerspruch und Klage also weiterhin lohnen, wenn man sich darauf einlassen will. Besonders, wenn man einen längeren Weg zur Arbeit hat und die stufenweise Wiedereingliederung etliche Wochen dauert. Bisher hat die Deutsche Rentenversicherung nur bei erfolgreicher Klage nachgegeben.
Bis Redaktionsschluss Ende August 2024 gibt es noch keinen Text des Urteils und deshalb auch keine Kommentierungen. Deswegen lässt sich auch nicht sagen, wie rechtlich mit dem Urteil umzugehen ist. Ob man beispielsweise vor das Bundesverfassungsgericht gehen könnte. Das müssten auch der Kläger und seine unterstützenden Anwälte prüfen. Dies gilt ähnlich für den Gang zum europäischen Gerichtshof.
Auf jeden Fall würde ein solches Verfahren wiederum Jahre dauern. Deshalb wäre meines Erachtens ein schnelles Handeln der Politik viel besser. Vor einem Jahr gab es bereits Vorschläge der SPD, einen individuellen Rechtsanspruch auf betriebliches Eingliederungsmanagement und stufenweise Wiedereingliederung zu schaffen. Dies scheiterte vermutlich am Widerstand der FDP. Ein solches Vorhaben ließe sich auch mit einer Änderung der Vorschriften zur stufenweise Wiedereingliederung verbinden, die eine Fahrtkostenerstattung sicherstellen. All dies wäre weiterhin dringend geboten.