Effiziente Rehabilitationsprozesse beginnen mit einer gezielten und systematischen Ermittlung des individuellen Teilhabebedarfs. Durch eine individuelle Bedarfsermittlung kann der Rehabilitationsprozess passgenau gestaltet werden, wodurch zur wirksamen und wirtschaftlichen Verwendung der für entsprechende Leistungen zur Teilhabe eingesetzten Mittel beigetragen wird. Zudem ist die Bedarfsermittlung eine zentrale Voraussetzung für adäquate Leistungsentscheidungen sowie erfolgreiche Rehabilitationsprozesse. Unter „Bedarfsermittlung“ wird dabei dasjenige Vorgehen verstanden, das auf individueller Ebene Informationen zur Prüfung
bzw. Konkretisierung eines potenziell vorliegenden Teilhabebedarfs vor dem Hintergrund individuell zu bestimmender Teilhabeziele erhebt, bündelt und auswertet. Deren Ergebnisse sind Grundlage von Auswahlentscheidungen zu individuell geeigneten und erforderlichen Leistungen für die Erreichung der jeweiligen Teilhabeziele (Leistungsauswahl). Sie dient Leistungsträgern zur Konkretisierung von Ansprüchen auf Leistungen zur Teilhabe und Leistungserbringern als Grundlage zur individuellen Anpassung
bzw. Ausgestaltung von Leistungen zur Teilhabe und damit insgesamt zur Erreichung definierter Teilhabeziele.
Die hier vorgelegte Studie beschäftigt sich mit der Analyse von Ansätzen der Ermittlung von Bedarf an Leistungen zur Teilhabe. Dies geschieht für den Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und mit Fokus auf Qualifikations- und Integrationsleistungen. Gegenstand ist eine erstmalige, leistungsträger- und leistungserbringerübergreifende sowie empirisch fundierte Bestandsaufnahme von derzeit eingesetzten Verfahren/Instrumenten zur Bedarfsermittlung sowie eine Analyse von Möglichkeiten einer zukünftig noch gezielteren und damit effizienteren Erbringung von Leistungen zur Teilhabe. Hierbei wird im Besonderen untersucht, inwiefern die
ICF ein geeignetes Mittel zur Optimierung darstellt und welche Perspektiven sich für Weiterentwicklungsprozesse bei der Bedarfsermittlung ergeben. Mit einer Gesamtdauer von 21 Monaten ist diese Studie in ihrer inhaltlichen Zielstellung, Ausrichtung und Tiefe als Machbarkeits-
bzw. Vorstudie angelegt.
Die Studie basiert auf einem multiperspektivischen Untersuchungsansatz. Dazu wurde, neben einer Literaturrecherche, eine umfassende bundesweite Befragung aller Leistungsträger (DRV,
BA,
DGUV, SVLFG, Sozialhilfe, Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen) sowie zentraler Leistungserbringer (
BFW,
BBW,
BTZ,
RPK,
IFD, Phase-II-Einrichtungen, WfbM) im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mittels Fragebogen (mit geschlossenen, halboffenen und offenen Fragentypus) durchgeführt. Die Rücklaufquote bei Leistungsträgern (n=68) und -erbringern (n=190) lag bei je knapp 30 %. Darüber hinaus wurden Leistungsberechtigte (Teilnehmer) schriftlich mittels Fragebogen (Rücklauf: 82 %; n=212) und in der Regel je einer Fokusgruppe mit Menschen mit Behinderungen sowie mit deren Verbände in die Untersuchung einbezogen. Die Datenauswertung erfolgte unter Nutzung etablierter qualitativer wie quantitativer Methoden.
Der Leistungsbereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist in verschiedener Hinsicht durch Heterogenität geprägt. Diese Heterogenität kennzeichnet sich insbesondere durch die Vielfältigkeit
a) der Personengruppen, deren individuelle Bedarfslagen (Teilhabeeinschränkungen) und deren Teilhabeziele,
b) der möglichen Leistungsträger und Leistungserbringer sowie
c) die Art und den Umfang der Leistungen und deren spezifische Zielstellungen.
Sie ist dabei auch Folge des differenzierten Leistungsrechts im gegliederten Sozialsystem sowie einer bestehenden Zielgruppen-, Leistungs- und Anbieterdifferenzierung. Empirisch bildet sich die Heterogenität unter anderem in Analysen zum Zuweisungsgeschehen von Leistungsträgern und der Leistungsträgerschaften bei Leistungserbringern ab. Einrichtungsbezogen betrachtet weist die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Leistungsberechtigte insbesondere den Berufsförderungswerken (33 %) und freien Bildungsträgern (20 %) zu, bei Integrationsämtern/Hauptfürsorgestellen spielen (erwartungsgemäß) vor allem Integrationsfachdienste (
IFD) als Leistungserbringer eine bedeutsame Rolle (28 %) und in der Regel der Sozialhilfe kommt (gleichfalls erwartungsgemäß) Werkstätten für behinderte Menschen eine zentrale Bedeutung zu (95 %). Auf der anderen Seite sind für die Leistungserbringer jeweils verschiedene Leistungsträger besonders wesentlich: zum Beispiel für Berufsbildungswerke (
BBW) die Bundesagentur für Arbeit sowie für
BFW und Einrichtungen zur Rehabilitation Psychisch Kranker (
RPK) die DRV.
Alle der untersuchten sieben Leistungserbringertypen geben dabei mindestens drei relevante Leistungsträger an. Aus Leistungserbringerperspektive spielen als Zugangswege neben den sicherlich zentralen Leistungsträgern aber auch weitere Akteure eine wesentliche Rolle. Sei es durch Information und Beratung (zum Beispiel Beratungsstellen/Selbsthilfe), sei es durch spezifische Antragsunterstützung (zum Beispiel niedergelassene Haus-/Fachärzte) oder durch Initiative für
bzw. gemeinsam mit den Betroffenen (zum Beispiel Angehörige/Gesetzliche Betreuer). Diese Zugangswege treten folglich zu den vielfältigen Beziehungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringer hinzu.
[Aus: Information der Herausgebenden]